„Röschen“ – Das Reh von Theisa
Das Reh von Theisa – Röschen
Aus dem Heimatkalender 1959
Text: M. Karl Fitzkow, Kreis Bad Liebenwerda
Bilder: übergeben von Vera Böhmichen, Theisa
Am Ortsausgang von Theisa nach dem Ortsteil Ziegelscheune liegt am Hang des alten Weinberges Haus und Hof des Arbeiters Herbert Böhmichen. Der Mischwald des „Weinberges“ wächst bis an Hofmauer des Hauses heran, das Getier des Waldes streift um den Hof und im Winter sind hier die Vögel zahlreiche Gäste. In diesem Wald fand im Mai 1956 Herbert Böhmichen ein 2 bis 3 Tage altes Rehkitz, an den Lauschen und am Geäse verletzt. Er nahm sich des hilflosen Tieres an, beherbergte es in einem Stall seines Hauses und zog es auf. Anfangs nahm es nur einige Teelöffel voll Milch an, aber es erholte sich bei der liebevollen Pflege, die ihm alle Familienmitglieder zuteil werden ließen und wuchs kräftig. Bald brauchte es bis zu 3 Flaschen Milch am Tage und nahm auch besonders gern Brot und Körner. Mit den Hühnern, Enten und der Schäferhündin „Senta“ war „Röschen“, wie es genannt wurde, nach kurzer Zeit in guter Freundschaft verbunden.
Ihre größte Zuneigung aber gehörte den menschlichen Freunden, denen sie überallhin auf dem Fuße folgte, vornehmlich in die Küche, wo es bald den Brotschrank erkundete, ihn öffnete und das Brot zu verspeisen gelernt hatte. „Röschen“ hatte wohl ihren Stall, in dem sie schlief und in den sie beim Auftreten fremder Menschen oder bei unbekannten Geräuschen flüchtete. Im übrigen hatte sie völlige Freiheit, zog täglich in den Wald hinaus und kehrte am Abend gegen 18 Uhr zur Fütterung regelmäßig in ihren Stall zurück.
Nach einem Jahre, im Sommer 1957, war aus dem kleinen Kitz ein stattliches Rehfräulein geworden. Im Walde oben stand an manchen Abenden ein Bock. Der Nachbar will gesehen haben, dass dieser Bock zur nächtlichen Stunde einige Male sich bis an den Hofzaun herangewagt und unter dem Kirschbaum stand. Da wurde das Rehfräulein von einer heftigen Unruhe erfasst, eines Tages kehrte es von seinem Waldbesuch nicht in den Stall zurück. Wochen warteten seine menschlichen Freunde auf ihre Heimkehr, einige Male strich sie in der Nähe des Hauses umher, aber immer verschwand sie wieder im Walde. Nach 4 Wochen stand sie eines Tages unter dem Kirschbaum und begehrte wieder Einlass. Sie ließ sich wieder den Hals streicheln, trat in alter Freundschaft unter das Hühner- und Entenvolk, begrüßte den Hund „Senta“ und nahm wieder, als sei nichts geschehen, von ihrem vertrauten Stall Besitz.
Bis zum Winter 1957/58 machte sie täglich ihren Waldausflug und kehrt jeden Abend zum geliebten Brot und Heu zurück. An einem kalten Wintertag blieb sie plötzlich wieder aus. Ihre Pflegeeltern suchten sie überall, einige Male bemerkten sie ihr Rehkind in der Nähe, aber dann war es wieder verschwunden. Nach 7 Wochen erschien es ebenso plötzlich, wie es gegangen war, nahm die Liebkosungen der Menschen, das Gegacker der Hühner und das Freudengebell von „Senta“ entgegen, lief in die Küche und bettelte um Brot. Im Mai zog sie nochmals 5 Wochen in die Wälder, stand dann wieder unter dem Kirschbaum und hatte Sehnsucht nach ihrem Stall. Einige Wochen verstrichen, man sah, das „Röschen“ einem freudigen Ereignis entgegenging und war voller Spannung, ob sie von ihren täglichen Waldspaziergängen zurückkehren würde, wenn die Zeit heran war.
Was die Pflegeeltern und alle Nachbarn nicht für möglich gehalten hatten, tat „Röschen“. Am Sonntag, dem 15. Juni 1958, brachte sie zur größten Freude der Familie Böhmichen in ihrem Stall zwei kleine Böckchen zur Welt, allerliebste Dinger mit weißen Tupfen auf der braunen Decke, großen dunklen Augen und einer kurzen schwarzen Schnauze (ich weiß, das ist sehr unweidmännisch, der Jäger sagt Lichter und Geäse dazu).
Die Frau des Hauses konnte sie auf den Schoß nehmen und „Röschen“ ließ es ohne Furcht geschehen und leckte ihre Kinder. „Senta“ blickte mit großen guten Augen zu den kleinen, herumspringenden Rehlein hin, die Hühner ließen sich durch die Unruhegeister nicht stören und gingen ihren Geschäften wie immer nach. Die Rehmutter wusste ihre Kinder in guter Hut, jeden Tag zog sie einige Stunden im Wald umher und kehrte regelmäßig zum Tränken der Kleinen zurück. Dann durchsuchte sie die Küche nach Brot, naschte am frischen Gras auf dem her eingebrachten Wagen und ihre Kinder, „Max“ und „Moritz“ geheißen, hatten Anfang August schon gelernt, das ihr nachzutun. Wenn der große Napf mit Körnern in die Mitte des Hofes gestellt wird, dann drängen sich „Röschen“ und „Max“ und „Moritz“, die Hühner, Puten und Enten dazu, und es ist ein köstliches Bild, wie dort alles in größter Eintracht Mahlzeit hält. „Senta“ sitzt dabei, hat die Lauscher hochgestellt und freut sich sichtlich an dieser bunten Gesellschaft.
Und wenn „Röschen“ dann in den Wald hinaufsteigt, läuft sie ihr eine kurze Strecke nach, sitzt dann und lauscht gespannt hinter ihr her, bis sie oben zwischen den Stämmen verschwunden ist, als wollte sie eine Freundin nicht aus den Augen lassen. Dann kehrt diese kluge schöne Hündin zu ihrem Herrn zurück, springt an ihm hoch und lehnt sich an ihn….
Diese Geschichte einer seltsamen Menschen- und Tierliebe ist nicht erfunden, sie ist im Hause der Familie Böhmischen in Theisa Wirklichkeit und ein schönes Zeugnis dafür, welche Freude die Tiere dem Menschen im Alltag schenken können, wenn er menschlich zu den Tieren ist.
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Uschner, Museum Bad Liebenwerda
Text: M. Karl Fitzkow, Kreis Bad Liebenwerda
Fotos: übergeben von Vera Böhmichen, Theisa
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